Wie entwickeln wir Gleichmut? Ein Selbstversuch im Allgäu
Ein Clown, die Berge und der Gleichmut
Als Kind hatte ich ein Buch über einen Clown, der alles ganz anders erlebte, als die Kinder um ihn herum.
Ich erinnere mich noch gut an das Kapitel, in dem der Clown mit einer Gruppe Kindern eine Radtour macht. Wann immer es bergab geht freuen sich die Kinder und genießen den Fahrtwind. Der Clown hingegen hat schlechte Laune. Er denkt sich: oh je, wenn es so viel bergab geht, dann ist das kein gutes Zeichen. Denn dann geht es sicher gleich wieder bergauf. Und wann immer es den Berg hoch geht und die Kinder keuchen ist der Clown bester Laune. Denn er freut sich, das der lange Anstieg ja nur bedeuten kann, das es bald wieder bergab geht.
Als Kind dachte ich mir: na so ein Blödsinn, der Clown kapiert ja wirklich gar nichts, dem sollte mal jemand die Welt erklären.
Nun. Meinen Sommerurlaub hab ich dieses Jahr radfahrend im Allgäu verbracht. Und siehe da, plötzlich wurde ich selbst zum Clown: desto länger die Abfahrt war, desto mehr dachte ich mir, oh je, das muss ich alles bestimmt gleich wieder hoch radeln. Und desto steiler es den Berg hoch ging, desto erleichteter war ich, denn was ein Glück, schlimmer kann es nicht mehr werden.
Erst nach einigen Tagen auf dem Rad, über Anstiege und Abfahrten hinweg, entwickelte ich einen gewissen Gleichmut. Vermutlich aus der Erfahrung heraus, das es im Allgäu eben immer hoch und runter geht und das beides nunmal zu einer Radtour mit dazu gehört.
Gleichmut spielt nicht nur beim Radfahren im Allgäu eine hilfreiche Rolle. Auch in den buddhistischen Lehren und in den Yoga Sutren kommt er vor. Hier ist die Rede von den so genannten Brahma Viharas. Vier Geisteshaltungen, die wir gegenüber anderen entwickeln sollten um selbst friedlicher zu werden.
Maitri – liebende Güte
Karuna – Mitgefühl
Mudita – Mitfreude
und eben Upeksa – Gleichmut
Hierbei bedeutet Gleichmut nicht, das es uns egal sein soll (= Gleichgültigkeit) ob es hoch oder runter geht (im Allgäu oder auch im Leben ganz generell). Vielmehr steht Gleichmut für eine Offenheit, mit der wir uns allen Aspekten des Lebens zuwenden. Der buddhistische Lehrer Jack Kornfield geht davon aus, dass diese Offenheit gegenüber allem was ist dazu führt, das Gefühle wie Abneigungen und Gier immer weniger werden.
2 Schritte, um Gleichmut (im Yoga) zu entwickeln
- Achtsamkeit und Akzeptanz praktizieren: den Moment wie er ist offen und neugierig beobachten und das was ist annehmen (das kann beispielsweise in einer Yoga Praxis passieren, wenn wir zunächst einfach wahrnehmen, wie sich der Körper gerade anfühlt, welche Qualität die eigene Atmung hat und welche Intensität die Gedanken haben)
- das Annehmen der Situation heißt nicht, das wir im nächsten Schritt gleichgültig werden und uns die Dinge egal sind. Vielmehr können wir durch das beobachten der Situation eine gewisse Distanz bewahren, was uns erlaubt handlungsfähig zu bleiben. Um das zu tun, was zu tun ist (wenn wir bspw. in der Yoga Praxis auf das, was wir im Körper wahrnehmen reagieren und die Yogaübungen entsprechend der eigenen körperlichen Verfassung anpassen).
Buchtipp: Jack Kornfield – Erleuchtung finden in einer lauten Welt: Buddhas Botschaft für den Westen